Grundlagen der DMS-Technologie

Grundlagen der DMS-Technologie 1:

Allgemeine Ersatzbezeichnung „Gerät“

Dieses Kapitel findet in Dokumentationen verschiedener Beckhoff-Produkte Verwendung. Deshalb ist es allgemeingültig geschrieben und verwendet allgemein den Begriff „Gerät“ für die verschiedenen Familienbezeichnungen wie Klemme (Serien EL/ELM/KL/ES…), Box (Serien IP/EP/EPP...), Modul (Serien EJ/FM…).

Es sollen im Folgenden einige grundsätzliche Informationen zum Technologiebereich DMS/ Wägezellen als metrologisches Instrument gegeben werden. Diese sind von allgemeiner Natur, es ist vom Anwender zu prüfen, inwieweit diese Hinweise auf seine Applikation zutreffen.

Das am weitesten verbreitete Prinzip im industriellen Umfeld ist der elektrische DMS. Es sind viele Begriffe für diese Art von Sensoren üblich: Wägezelle, Lastmessdose, Wiegebrücke etc.

Aufbau elektrischer DMS

Ein DMS besteht aus einem Trägermaterial (z. B. eine dehnbare Kunststofffolie) mit aufgebrachter Metallfolie, aus welchem –je nach Anforderung in sehr verschiedenen geometrischen Formen - eine Struktur zu einem verformbaren, elektrischen Dünnschicht‑Widerstand herausgearbeitet wird.

Grundlagen der DMS-Technologie 2:
Prinzipdarstellung eines DMS

Dabei wird das Verhalten ausgenutzt, dass z. B. bei Dehnung eines metallischen Widerstandsleiters seine Länge zu- und der Durchmesser abnimmt, wodurch sein elektrischer Widerstand messbar steigt:

ΔR/R = k · ε.

Dabei entspricht ε = Δl/l der relativen Längenänderung, die Dehnungsempfindlichkeit wird als k‑Faktor bezeichnet. Daraus resultiert auch die charakteristische Bahnführung des leitfähigen Materials innerhalb des DMS: Die Widerstandsbahn wird mäanderförmig (in Schlangenlinien) verlegt, um eine möglichst lange Strecke der Dehnung auszusetzen und gleichzeitig die Selektivität der Kraftrichtungseinwirkung heraufzusetzen.

Beispiel:

Die Dehnung von ε = 0,1 % eines DMS mit k‑Faktor 2 bewirkt eine Widerstandserhöhung um 0,2 %. Typische Widerstandsmaterialien sind Konstantan (k ≈ 2) oder Platin‑Wolfram (92PT, 8W mit k ≈ 4). Bei Halbleiter‑DMS wird eine Siliziumstruktur auf ein Trägermaterial geklebt. Die Leitfähigkeit wird primär durch Deformation des Kristallgitters verändert (piezoresistiver Effekt), es können k‑Faktoren bis 200 erreicht werden.

Messung von Signalen

Die Widerstandsänderung eines einzelnen DMS kann grundsätzlich durch Widerstandsmessung (Strom-/ Spannungsmessung) in 2/3/4‑Leitermessung ermittelt werden.

Üblicherweise werden 1/2/4 DMS in einer wheatstoneschen Brücke angeordnet (Viertel‑/Halb‑/Vollbrücke), dabei ist der Nennwiderstand bzw. Impedanz R0 aller DMS (und der ggf. verwendeten Ergänzungswiderstände) üblicherweise gleich, R1 = R2 = R3 = R4 = R0. Im unbelasteten Zustand sind typische Werte R0 = 120 Ω, 350 Ω, 700 Ω oder 1 kΩ.

Die Vollbrücke besitzt die besten Eigenschaften wie erhöhte Linearität bei Strom‑/ Spannungsspeisung, bis zu vierfacher Empfindlichkeit gegenüber der Viertelbrücke, sowie systematische Kompensation von Störeinflüssen wie Temperaturdrift und Kriechen. Um die hohe Empfindlichkeit zu erreichen, werden dabei die vier einzelnen DMS auf dem zu vermessenden Objekt (dem Träger) so angeordnet, dass je zwei gedehnt und zwei gestaucht werden.

Grundlagen der DMS-Technologie 3:
Viertel-, Halb-, und Vollbrücke

An dieser Stelle werden die drei wichtigen Spannungen im Umfeld einer Brücke definiert:

Messbrücken können allgemein mit Konstantstrom, Konstantspannung oder aber mit Wechselspannung (z. B. beim Trägerfrequenzverfahren) betrieben werden.

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Messverfahren

Die Beckhoff Klemmen EL/KL335x und die Produktgruppe Messtechnik ELM35/37xx, EPP35xx unterstützen nur die Erregung mit Konstantspannung. Falls Erregung mit Wechselspannung benötigt wird, wenden Sie sich bitte an den Beckhoff Vertrieb.

Vollbrücken-DMS an Konstantspannung (ratiometrische Messung)

Da die relative Widerstandsänderung ΔR/R gering ist im Verhältnis zum Nennwiderstand R0, wird für DMS in der wheatstoneschen Anordnung eine vereinfachte Gleichung angegeben:

UBridge/UExc= ¼ · (ΔR1-ΔR2+ΔR3-ΔR4)/R0.

Bei Dehnung hat ΔR/R in der Regel ein positives, bei Stauchung ein negatives Vorzeichen.

Eine geeignete Messeinrichtung misst die Brückenversorgungsspannung UExc (bzw. UV) und die resultierende Brückenspannung UBridge (bzw. UD), und bildet den Quotienten aus beiden Spannungen, also das Verhältnis (lateinisch: ratio). Nach weiterer Berechnung und Skalierung erfolgt die Ausgabe des Messwertes z. B. in Form der wirkenden Masse in kg. Aufgrund der Division von UBridge und UExc ist die Messung grundsätzlich unabhängig von Änderungen der Versorgungsspannung.

Werden die Spannungen UBridge und UExc dabei simultan, d. h. im gleichen Moment gemessen und ins Verhältnis gesetzt, so spricht man von einer ratiometrischen Messung.

Der Vorteil liegt darin, dass (bei simultaner Messung) auch kurzzeitige Veränderungen der Versorgungsspannung (z. B. EMV-Einflüsse) oder eine allgemein nicht ganz exakte oder zeitlich instabile Versorgungsspannung ebenfalls keinen Einfluss auf das Messergebnis haben.

Eine Änderung von UExc um z. B. 1 % erzeugt nach der obigen Gleichung die gleiche prozentuale Änderung an UBridge. Durch die simultane Messung von UBridge und UExc kürzt sich der Fehler bei der Division vollständig heraus.

4-Leiter- vs. 6-Leiter-Anschluss

Bei Versorgung mit einer konstanten Spannung fließt ein nicht unerheblicher Strom von z. B. 12 V / 350 Ω ≈ 34,3 mA. Dadurch entsteht nicht nur Verlustwärme, wobei die Spezifikation des verwendeten DMS nicht überschritten werden darf, sondern es können Messfehler bei unzureichender Verdrahtung durch nicht berücksichtigte oder nicht kompensierbare Leitungsverluste entstehen.

Grundsätzlich kann eine Vollbrücke in 4‑Leiterschaltung betrieben werden (zwei Leitungen für die Versorgung UExc, und zwei Leitungen für die Messung der Brückenspannung UBridge).

Bei Verwendung von z. B. 25 m Kupferleitung (hin + zurück = 50 m), mit einem Querschnitt von q = 0,25 mm2 vom Sensor bis zum auswertenden Messmodul, ergibt dies einen Leitungswiderstand von

RL= l / (κ · q) = 50 m / (58 S · m/mm2 · 0,25 mm2) = 3,5 Ω.

Bleibt dieser Wert konstant, so kann der dadurch entstehende Fehler herauskalibriert werden. Aber unter Annahme einer realitätsnahen Temperaturänderung von z. B. 30 °C ändert sich der Leitungswiderstand RL um

ΔRL = 30 K · 3,9 · 10-3 1/K · 3,5 Ω = 0,41 Ω.

Bezogen auf eine Messbrücke mit 350 Ω Eingangsimpedanz bedeutet dies einen Messfehler von mehr als 0,1 %.

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4-Leiter-Anschluss
Grundlagen der DMS-Technologie 6:
6-Leiter-Anschluss

Abhilfe schafft besonders bei Präzisionsanwendungen ein 6-Leiter-Anschluss.

Dabei wird die Versorgungsspannung UExc an die Brücke herangeführt (ergibt das stromführende Leitungspaar, die Zuleitung). Erst direkt an der Messbrücke wird die Versorgungsspannung UExc als Referenzspannung USense gleichartig wie die Brückenspannung UBridge mit je zwei nahezu stromlosen Rückleitern hochohmig gemessen (an Messgeräten oft als "Sense"-Eingang beschrieben). Manche Messverstärker erhöhen dann die Speisespannung automatisch so weit, dass an der Brücke trotz Spannungsabfall auf der Zuleitung die gewünschte Speisespannung ansteht. Durch die Rückmessung von USense können in jedem Fall die leitungsbedingten Fehler kompensiert werden.

Da es sich um sehr kleine Spannungspegel im mV und µV-Bereich handelt, sollten alle Leitungen geschirmt sein.

Aufbau einer Wägezelle mit DMS

Eine Anwendung der DMS ist der Aufbau von Wägezellen (WZ).

Dabei werden DMS (in der Regel Vollbrücken) auf einen elastischen mechanischen Träger, z. B. Doppelbiegebalken-Federkörper, geklebt und gegen Umwelteinflüsse zusätzlich abgedeckt.

Die einzelnen DMS werden für maximale Ausgangssignale entsprechend der Beanspruchungsrichtung ausgerichtet (zwei DMS in Dehnungsrichtung und zwei in Stauchungsrichtung).

Grundlagen der DMS-Technologie 7:
Beispiel Wägezelle

Die wichtigsten Kenndaten einer Wägezelle

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Kenndaten

Bitte informieren Sie sich beim Sensorhersteller über die genauen Kenndaten!

Nennlast Emax

Maximal zulässige Belastung für normalen Betrieb, z. B. 10 kg.

Nennkennwert mV/V

Der Nennkennwert beschreibt die Empfindlichkeit der Wägezelle bei Nennlast Emax. Dieser (einheitenlose) Wert gibt bei der Wheatstoneschen Messbrücke an, wie sich die Brückenspannung UBridge in Abhängigkeit von der Speisespannung UExc ändert, wenn die Brücke mit der Nennlast Emax belastet wird.

Ein Beispiel: ein Nennkennwert 2 mV/V bedeutet, dass bei einer Versorgung mit UExc =10 V und bei voller Belastung Emax der Wägezelle die maximale Ausgangsspannung UBridge = 10 V · 2 mV/V = 20 mV beträgt. Der Nennkennwert ist immer ein nomineller Wert - bei guten Wägezellen ist ein Herstellerprüfprotokoll beigegeben, das den für die einzelne Wägezelle ermittelten Kennwert mitteilt, z. B. 2,0782 mV/V.

Genauigkeitsklasse einer Waage nach OIML R60

Die Genauigkeitsklasse wird durch einen Buchstaben (A, B, C, D) und eine zusätzliche Ziffer angegeben, welche den Teilungswert d mit einer maximalen Anzahl nmax verschlüsselt (· 1000), z. B. C4 bedeutet Klasse C mit maximal 4000 Teilungswerten. Ein Teilungsschritt ist als die kleinstmögliche/zulässige Einheit zu verstehen, mit der Gewichte unterschieden werden können. Kleinere Gewichtsdifferenzen als die Teilungseinheit können mit der Waage also nicht eindeutig unterschieden werden. Je hochwertiger eine Wägeeinheit gebaut ist in Bezug auf verwendete Komponenten und interne Kompensationselemente, desto feiner kann sie auflösen.

Die Klassen geben eine Höchst- und Mindestgrenze für die Teilungswerte d vor:

Der Teilungswert nmax = 4000 sagt aus, dass mit einer WZ mit einer Auflösung von Emin = 1 g eine eichfähige Waage gebaut werden kann, welche einen maximalen Messbereich von 4000 · Emin = 4 kg hat. Da Emin dabei eine Mindestangabe ist, könnte – wenn es die Anwendung zulässt – mit der gleichen WZ eine 8‑kg Waage gebaut werden, wobei dann die (eichfähige) Auflösung auf 8 kg / 4000 = 2 g sinkt. Anders betrachtet ist der Teilungswert nmax eine Maximalangabe, so könnte mit o. g. Wägezelle eine Waage mit Messbereich 4 kg, aber nur einer Auflösung von 2000 Teilen = 2 g gebaut werden, wenn dies für die jeweilige Anwendung ausreichend ist. Es unterscheiden sich auch die Klassen in bestimmten Fehlergrenzen bezogen auf Nichtwiederholbarkeit/Kriechen/TK.

Genauigkeitsklasse nach PTB

In fast gleichlautender Weise sind die europäischen Genauigkeitsklassen definiert (Quelle: PTB Braunschweig).

Klasse

Eichwert e

Mindestlast Emin

Maximallast Emax

 

Mindestwert

Höchstwert

I

Feinwaage

0,001 g <= e

100 e

50000 e

-

II

Präzisionswaage

0,001 g <= e <= 0,05 g

0,1 g <= e

20 e

50 e

100 e

5000 e

100000 e

100000 e

III

Handelswaage

0,1 g <= e <= 2 g

5 g <= e

20 e

20 e

100 e

500 e

10000 e

10000 e

IIII

Grobwaage

5 g <= e

10 e

100 e

1000 e

Zu beachten ist, dass eine Waage in eichpflichtiger Umgebung meist nur mit deutlich geringerer Teilung einsetzbar ist, als das Datenblatt für unregulierte Umgebung ausweist.

Mindesteichwert Emin

Gibt die kleinste Masse an, die gemessen werden kann, ohne dass der maximal zulässige Fehler der WZ überschritten wird [RevT].

Dieser Wert wird entweder durch die Formel Emin = Emax / n dargestellt (mit n als ganzzahligem Wert, z. B. 10000), oder in % von Emax (z. B. 0,01 %).

Dies bedeutet, dass eine Wägezelle mit Emax = 10 kg eine maximale Auflösung von

Emin = 10 kg / 10000 = 1 g bzw. Emin = 10 kg · 0,01 % = 1 g

hat.

Auflösung der Waage/DMS vs. Auflösung der elektronischen Erfassung

Waagen haben wie o.a. einen Teilungswert, eine Anzahl auflösbarer Schritte, z. B. 6000d. Eine 12 kg-Waage könnte also mit 2 g auflösen, das sind 0,016 % oder 166 ppm vom MBE (Messbereichsendwert).

Demgegenüber steht die Frage, welche elektrische Analogerfassung für eine derartige Waage nötig ist, wenn sie ausgeschöpft werden soll. Die Antwort findet sich in folgenden Schritten:

  • Die Auflösung der Analogwerterfassung muss auf jeden Fall gleich der Waagen-Teilung sein, besser größer. 6000d sind ca. 212,5, also muss die Analogwerterfassung (ADC) mindestens 13 Bitohne Vorzeichen haben, 14 Bit mit Vorzeichen falls der Analogeingang bipolar misst (was meist der Fall ist).
  • Allerdings bedeuten die 6000d dass die Waage 6000 Schritte eindeutig unterscheiden kann. Diese Forderung ist auch an die Analogwerterfassung (Wägeklemme) zu richten. Als oberster Richtwert für technisch eindeutig unterscheidbaren Stufen ist die Messunsicherheit der Wägeklemme anzusetzen. In diesem Fall muss diese also < 166 ppmMBE betragen damit die 6000d-Waage auch auf eine 6000d-Elektronik trifft.
  • Idealerweise schöpft die erzeugte Differenzspannung UBridge der Waage von z. B. 20 mV den Messbereich der Analogwerterfassung zu 100 % also bis zum Messbereichsendwert (MBE) aus! Andernfalls ist dies in der folgenden Rechnung zu berücksichtigen.
  • Zu beachten ist, dass die analoge Spezifikation der Messunsicherheit bei Beckhoff-Analogprodukten je nach Klemme/Box unterschiedlich sein kann:
    • mit Messfehler/Messunsicherheit über den Betriebstemperaturbereich des Geräts, also z. B. ±0,01 %MBE bei Tambient = 0…55°C
    • oder genauer aufgeschlüsselt in den sog. Erweiterten analogen Kenndaten: Grundgenauigkeit @ Tambient = 23 °C und Temperaturkoeffizient von z. B. 10 ppm/K.
  • Wenn eine noch genauere Betrachtung erforderlich ist, muss die Grundgenauigkeit (Messunsicherheit @23 °C) weiter zerlegt werden. Die Grundgenauigkeit enthält die vier herstellerabhängigen Elemente: Gainfehler, Offsetfehler, Nichtlinearität und Wiederholgenauigkeit.
    • Der Offsetfehler kann durch einen 0-Abgleich (Tara) einfach eliminiert werden.
    • Ebenso kann der Gain-Fehler durch einen Abgleich mit Kalibriergewicht ermittelt werden.
    • Es verbleiben als unvermeidbarer Rest die Nichtlinearität und die Wiederholgenauigkeit. Wenn diese in der Beckhoff Gerätespezifikation gegeben sind, sind diese also die unterste Grenze für die mögliche „Teilung“ der Analogwerterfassung. Sind nach diesem Vorgehen beispielsweise die Nichtlinearität über den gesamten Messbereich, FLin = 50 ppm und die Wiederholgenauigkeit (bei 23 °C), FRep = 20 ppm könnte daraus eine Waage mit 14285d gebaut werden (1/70 ppm).
    • Hinweis: das setzt natürlich voraus, dass der Temperatureinfluss durch Klimatisierung und das Rauschen der Analogerfassung durch (digitales) Filtern eliminiert wird.

Mindestanwendungsbereich bzw. Mindestmessbereich % v. Nennlast

Unter Mindestanwendungsbereich bezeichnet man den kleinsten Messbereich oder kleinsten Abschnitt eines Messbereichs, den eine eichfähige Wägezelle bzw. Waage abdecken muss.

Beispiel:

Obige Wägezelle Emax = 10 kg, Mindestanwendungsbereich z. B. 40 % Emax.

Der genutzte Messbereich der WZ muss mindestens 4 kg sein. Der Mindestanwendungsbereich kann in einem beliebigen Bereich zwischen Emin und Emax liegen, z. B. zwischen 2 kg und 6 kg, wenn schon aufbaubedingt eine Taramasse von 2 kg vorliegt. Es ist dabei ebenfalls ein Zusammenhang mit nmax und Emin ersichtlich: 4000 · 1 g = 4 kg.

Es gibt andere wichtige Kennwerte, die weitestgehend selbsterklärend sind und daher hier nicht weiter besprochen werden, wie Nennkennwerttoleranz, Eingangs-/Ausgangswiderstand, Empfohlene Versorgungsspannung, Nenntemperaturbereich etc.

Parallelschaltung von DMS

Es ist üblich, eine Last mechanisch auf mehrere DMS-Wägezellen gleichzeitig zu verteilen. Damit kann z. B. eine 3-Punkt-Lagerung eines Silobehälters auf drei Wägezellen realisiert werden. Unter Berücksichtigung von Windlasten und Beladungsdynamik kann somit die Gesamtbeladung des Silos inkl. Behältereigenlast gemessen werden. Die mechanisch parallel geschalteten Wägezellen werden üblicherweise auch elektrisch parallel geschaltet und an ein Messwertaufnehmer angeschlossen, z. B. die EL3356. Dazu ist zu beachten:

  • Es ist sehr empfehlenswert, dass die verwendeten Wägezellen im Nennkennwert mit geringer Toleranz justiert sind, also alle einen annähernd gleichen Nennkennwert von z. B. 2 mV/V ±0,1 % haben. Verändert sich dann bei aufeinanderfolgenden Verwiegungen desselben Gewichts der Lastmittelpunkt und damit die Lastverteilung auf die Wägezellen, bleibt das Endergebnis gleich. Dagegen führt bei nicht-justierten Wägezellen mit z. B. 2 mV/V ±10 % eine veränderliche Lastverteilung durch eine Veränderung des Krafteinleitungspunktes bzw. Gewichtsmittelpunkt zu entsprechend veränderlichen Wiegeergebnissen.
Grundlagen der DMS-Technologie 9:
Parallel-DMS

Shunt-Kalibrierung

Hinweise zur Shunt Kalibrierung

Hinweis: nicht alle Beckhoff DMS/Brückenmessgeräte unterstützen die Shunt-Kalibrierung.

Mit Shunt-Kalibrierung (auch: Nebenschlusskalibrierung) wird ein Verfahren bezeichnet, bei dem ein bekannter Widerstand einem Brückenwiderstand temporär parallelgeschaltet wird. Dies ist bei allen Brückenschaltungen möglich (Viertel/Halb/Vollbrücke), z. B. bei der Vollbrücke:

Grundlagen der DMS-Technologie 10:
Shunt-Kalibrierung

Dadurch wird eine Belastung der Messbrücke elektrisch simuliert, es stellt sich je nach Umständen ein Messsignalsprung von 0,1…einige mV/V ein. Das Interessante daran ist, dass der Sprung vorhersagbar ist und abhängig von allen beteiligten Elementen.

Die Shunt-Kalibrierung wird deshalb z. B. angewendet, um

  • bei der Inbetriebnahme Kabelbrüche oder Verdrahtungsfehler zu finden,
  • die Erst-Kalibrierung der Messvorrichtung zu vereinfachen: ist eine Belastung des Sensors nicht möglich, kann die Verstärkung der elektrischen Messung durch die bekannte Verstimmung überprüft werden. Noch weitergehend wäre die Erfassung, wenn der Shunt nicht im Messgerät (hier: Beckhoff Messklemme) sondern vorne im Sensor bzw. in der Brücke verbaut ist,
  • im laufenden Betrieb ohmsche Veränderungen (die Verstärkung/Gain ändern) an Kabeln, Steckern, Voll/Halb/Viertelbrücke zu detektieren,
  • bei der Inbetriebnahme reale Leitungswiderstände zu kompensieren, ohne eine (teure) Kompensationsleitung legen zu müssen. Dazu wird die ermittelte mit der theoretisch erwarteten Verstimmung verglichen und ein entsprechender Verstärkungskorrekturfaktor in der PLC oder Klemme gerechnet (ein technisch besserer Weg in Bezug auf Leitungswiderstände wäre aber die Verwendung von Kompensationsleitungen, d.h. 3‑Leiter‑Modus bei Viertelbrücke, 5‑Leiter-Modus bei Halbbrücke, 6‑Leiter-Modus bei Vollbrücke).

Ablauf der Shunt-Kalibrierung

  1. Bei der Inbetriebnahme den Messwert bei gleichbleibender Last, idealerweise ohne Last notieren.
  2. Den Shunt schließen, die Abweichung zum vorherigen Messwert notieren. Es sollte sich ein Signalsprung in [mV/V] einstellen die der vorberechneten Höhe entspricht.
  3. Im weiteren Anlagenbetrieb kann die Shunt-Kalibrierung regelmäßig wiederholt werden, der Signalsprung sollte sich nicht wesentlich ändern – ansonsten haben sich elektrisch relevante Komponenten unbeabsichtigt verändert.

Theoretisch sollte sich ein Signalsprung nach der Gleichung

Grundlagen der DMS-Technologie 11:

für R = 350 Ω und Rs = 100 kΩ in der Höhe von 0,875 mV/V einstellen.

In hochwertiger Fachliteratur (Keil, Hoffmann) und punktuell bei Brücken-Herstellern (Vishay, HBM) finden sich Formeln und Informationen zum Shunt-Abgleich. Es muss an dieser Stelle aber der Hinweis gegeben werden, dass die reale Brückenausführung in handelsüblichen Messbrücken/DMS oft über die in einfachen Standardwerken beschriebenen Grundlagen mit R1…R4 = R hinausgeht. Dies zu wissen ist aber sehr wichtig, um den Signalsprung [mV/V] bei der Shuntkalibrierung vorausberechnen zu können. Deshalb soll im Folgenden auf einige Aspekte realer Messbrücken hingewiesen werden. Sie sind als Anregung zu verstehen, im Bedarfsfall sollte der Anwender, der in diesen Nutzungsbereich vordringt, Detailfragen - insbesondere mit dem gewählten Brückenhersteller diskutieren.

Input- vs. Output-Impedanz

Professionell hergestellte Messbrücken/Vollbrücken bestehen nicht nur aus den vier Brückenwiderständen R1, R2, R3, R4, sondern aus einer erheblichen Menge zusätzlicher Widerstände und anderer ausgefuchster Elemente, um z. B. Temperatur- und Nichtlinearitätseffekte zu kompensieren. Der sog. Nennwiderstand von 120 oder 350 Ω bezieht sich immer auf die Ausgangsimpedanz (Ausgangswiderstand) einer Brücke, also den Widerstand, den das Messgerät an UBridge sieht.

Grundlagen der DMS-Technologie 12:
Messbrücke mit 4 Brückenwiderständen

Die Eingangsimpedanz (Eingangswiderstand) ist theoretisch gleich, praktisch aber um bis zu 25 % größer als die Ausgangsimpedanz, da z. B. bei 350 Ω-Brücken gerne 2x ca. 32 Ω eingebaut werden (Hintergrund dazu siehe z. B. Stefan Keil, Beanspruchungsermittlung mit Dehnmessstreifen, 1995, Kap 5.3), die vom Sense auch erfasst werden:

Grundlagen der DMS-Technologie 13:
Messbrücke mit 4 Brückenwiderständen und 2 zusätzlichen Widerständen

Das ist bei Nicht-Shunt-Betrieb irrelevant, es senkt sogar die Belastung für die Versorgung. Bei Shunt-Betrieb ist diese Information aber entscheidend, wenn der Signalsprung korrekt vorhergesagt werden soll. Darüber hinaus werden Brücken weltweit je nach Hersteller und Preisklasse sehr unterschiedlich aufgebaut, es sind auch Brücken bekannt die asymmetrisch bzgl. UExc aufgebaut sind.

Leitungswiderstände

Der Shunt brückt beabsichtigt Zuleitungen, also muss auch ihr Widerstandseinfluss für eine Signalsprung-Vorhersage bekannt sein, zumindest ausgemessen. Formeln und Angaben über Widerstände von Leitungen, Steckern und Schaltern sind in der Literatur, Herstellerdatenblättern und Internet-Quellen zu finden. Üblich sind hier bei kurzen Längen Werte im Bereich einiger 10 bis 100 mΩ.

Sprungvorhersage

Aufgrund der unterschiedlichen Ausprägungen von Brücken und Umgebungen können hier keine umfassenden Werte oder Formeln für die Sprungvorhersage in [mV/V] gegeben werden. Aussagekräftiger ist die konkrete Berechnung nach den jeweiligen Gegebenheiten mit den für die Shunt-Kalibrierung wesentlichen Elementen. Es bieten sich dazu gängige Simulationswerkzeuge an, weitere Informationen dazu auf Anfrage unter measurement@beckhoff.com.

Grundlagen der DMS-Technologie 14:
Beispiel 1 - Umfassende Betrachtung des 4-Leiter-Anschlusses an ELM350x
Grundlagen der DMS-Technologie 15:
Beispiel 2 - Umfassende Betrachtung des 6-Leiter-Anschlusses an ELM350x

Fehlerquellen/Störgrößen

Elektrisches Eigenrauschen der Wägezelle

Elektrische Leiter besitzen ein sog. Wärmerauschen (thermisches/ Johnson Rauschen), welches durch unregelmäßige, temperaturabhängige Bewegungen der Elektronen im Leiterwerkstoff hervorgerufen wird. Bereits durch diesen physikalischen Effekt wird die Auflösung des Brückensignals beschränkt. Der Effektivwert en der Rausch-Spannung kann berechnet werden mit:

Grundlagen der DMS-Technologie 16:

Bei einer Wägezelle mit R0 = 350 Ω bei Umgebungstemperatur T = 20 °C (= 293 K) und einer Bandbreite des Messwert Aufnehmers von 50 Hz (und Boltzmannkonstante k = 1,38 · 10-23 J/K) beträgt der Effektivwert e= 16,8 nV. Das peak-peak-Rauschen epp beträgt somit etwa epp ≈ 6,6 · en = 111 nV (thermisches Rauschen, 99,9 % Intervall der Standardabweichung).

Beispiel:

Für eine Brücke mit Nennkennwert 2 mV/V und einer Versorgung UExc = 5 V ergibt sich eine Ausgangsspannung von UBridge_max = 5 V · 2 mV/V = 10 mV (unter Nennlast) und damit eine maximale Auflösung von 10 mV / 111 nV = 90.090 digits. In Bit-Auflösung umgerechnet: ln(90090)/ln(2) ≈ 16 Bit. Interpretation: eine höhere digitale Messauflösung als 16 Bit ist für ein solches analoges Signal also im ersten Schritt nicht angebracht. Wird eine höhere Messauflösung eingesetzt, sind ggf. zusätzliche Maßnahmen in der Auswertekette zu treffen, um einen höheren Informationsgehalt aus der Nutz- und Rauschsignalüberlagerung zu gewinnen, z. B. Hardwaretiefpassfilter oder Softwarealgorithmen.

Diese Auflösung gilt allein für die Messbrücke ohne jegliche weiteren Störeinflüsse. Durch Reduzierung der Bandbreite der Messeinrichtung kann die Auflösung des Messsignals sinnvoll gesteigert werden.

Wird der DMS auf einen Träger aufgeklebt (Wägezelle) und verdrahtet, können sowohl elektrische Störungen von außen (z. B. Thermospannungen an Anschlussstellen) als auch in der näheren Umgebung vorhandene mechanische Schwingungen (Maschinen, Antriebe, Transformatoren und hörbare 50 Hz-Schwingung durch Magnetostriktion etc.) das Messergebnis zusätzlich beeinträchtigen.

Kriechen

Bei konstanter Belastung können sich Federwerkstoffe weiter in Belastungsrichtung verformen. Dieser Vorgang ist reversibel, erzeugt aber während der statischen Messung einen sich langsam ändernden Messwert. Durch konstruktive Maßnahmen (Geometrie, Klebewerkstoffe) kann der Fehler im Idealfall kompensiert werden.

Hysterese

Erfolgt eine gleichmäßige Dehnung und Stauchung der Wägezelle, so durchläuft die Ausgangsspannung nicht exakt die gleiche Kennlinie, da u. a. bedingt durch den Klebwerkstoff und dessen Schichtdicke die Verformung von DMS und Träger unterschiedlich verläuft.

Temperaturdrift (Eigenerwärmung, Umgebungstemperatur)

Bei DMS-Anwendungen können relativ große Ströme fließen. Eine Vollbrücke mit vier 350 Ω-Widerständen hat beispielsweise eine Stromaufnahme von I = UExc/R0 = 10 V / 350 Ω ≈ 28,6 mA. Die Verlustleistung der gesamten Vollbrücke beträgt somit PExc = U · I = 10 V · 28,6 mA = 286 mW. Je nach Anwendung (es findet eine Kühlung des DMS durch den Wärme-Abtransport in das Trägermaterial statt) und Umgebungstemperatur kann ggf. ein nicht unerheblicher Fehler entstehen, welcher als „scheinbare“ Dehnung bezeichnet wird. Deshalb werden DMS auf dem Sensormaterial des Herstellers häufig gegenkompensiert.

Unzureichende Schaltungstechnik

Wie bereits aufgezeigt, kann eine Vollbrücke Hysterese, Kriechen und Temperaturdrift systembedingt u. U. vollständig kompensieren. Verdrahtungsbedingte Messfehler werden durch die 6-Leiterschaltung umgangen.

Messkörper und Eigenfrequenz

Bei dynamischen Messungen von Kräften und Gewichten spielen der Aufbau und einige Eigenschaften des Messwertaufnehmers eine maßgebliche Rolle bei der erreichbaren Dynamik. Die Eigenfrequenz des gesamten Systems begrenzt die Dynamik der Anwendung und wird über die Federkonstante des Messkörpers sowie die angekoppelte Masse beeinflusst. Je weicher der Messkörper (= größere Verformung bei Nennlast), desto niedriger die Eigenfrequenz. Auch bei Messwertaufnehmern mit steifen Messkörpern ist immer die angekoppelte Masse mit einzubeziehen, wenn die Eigenfrequenz ermittelt werden soll.

Wägezellen sind im Vergleich zu Kraftaufnehmern technologisch ähnlich, sind aber weicher im Aufbau und werden meist kostenoptimiert hergestellt. Daraus folgen als Hinweise für den mechanischen Aufbau:

Die Eigenfrequenz ist zu berechnen mit:

Grundlagen der DMS-Technologie 17:.

Mit Fnom = 450,5 N (50 kg Nennlast und 9,81 m/s² Gravitation), snom = 0,18 mm ergibt beispielsweise die Abhängigkeit von der Masse grafisch:

Grundlagen der DMS-Technologie 18:
Eigenfrequenz in Abhängigkeit von der Gesamtmasse

Empfehlungen für DMS-Messung mit Beckhoff-Modulen

Referenzen

Im Folgenden sind einige Organisationen genannt, die Vorgaben oder Dokumente für den Technologiebereich Wägetechnik bereitstellen: