Konfiguration des MS/TP Supplement

MS/TP Einführung

Allgemeines

MS/TP (Master Slave / Token Passing) beschreibt die Verbindung von BACnet-Geräten über den seriellen Standard RS485. Typische Geräte mit MS/TP Schnittstelle sind Frequenzumformer, Pumpen, Antriebe, Raumbediengeräte, Sensoren und Aktuatoren, aber auch Kompakt-Klimageräte oder Kältemaschinen.

Layer 1 RS485

Ein MS/TP Netzwerk verwendet eine RS485-Verbindung. Dabei müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Twisted Pair Kabel AWG18 oder besser (0,82mm² Querschnitt der Signalleitungen) mit umsponnenem Schirm oder Metallfolie
  • Impedanz des Kabels: 100-130 Ohm
  • Kapazität des Kabels: <100pF/m (30pF/ft) zwischen den Signalen
  • Kapazität des Kabels: <200pF/m (60pF/ft) zwischen Signal und Schirm
  • Max. empfohlene Länge eines Segments (ungeschnittene Verbindung): 1.200m (4.000ft). Abhängig von der Anzahl an Klemmstellen reduziert sich dieser Wert in der Praxis auf ca. 500-700m. Für die Klemme EL6861 ist daher eine max. Segmentlänge von 500m spezifiziert.
  • Max. Anzahl Geräte pro Segment: 32 (bei EL6861 und Anschluss von Geräten mit Low-Power Transceiver: 64 Geräte pro Segment)
  • Die Polarität muss beachtet werden, Kennzeichnung der Signalleitungen: B+, A- (Achtung, im Markt werden teilweise Geräte mit falscher Beschriftung A+, B- angeboten, in diesem Fall müssen die Signalleitungen getauscht werden).
  • Für die Kopplung von Segmenten können Segmentrepeater eingesetzt werden.
  • Die Verkabelung erfolgt als Daisy-Chain, also von jedem Teilnehmer zum nächsten. Stichleitungen (T-Abzweige) oder sternförmige Verkabelung ist nicht zulässig.
  • Um Erdschleifen zu vermeiden darf der Schirm nur an einem Punkt mit Potenzial Ground verbunden sein. Im BACnet-Standard ANSI/ASHRAE 135 sind darüber hinaus für verschiedene Anforderungen spezielle Vorschriften zur Kabelverlegung spezifiziert.
  • Form und Art des Anschluss-Steckers ist nicht genormt. Bei der Klemme EL6861 wird Profibus-konform eine 9-pol. Sub-D Verbindung verwendet.
  • An beiden Enden ist das serielle Netzwerk zu terminieren (Standardwert: 120 Ohm, Toleranz: 5% zwischen den Signalleitungen).
  • An mindestens einer, max. zwei Stellen sind Netzwerk-Vorspannungswiderstände (Network-Bias, Standardwert: 510 Ohm, Toleranz: 5%) einzubauen, bevorzugt an den Enden des Netzwerks. Diese halten die Signalleitungen auf definierten Pegeln und sorgen für eine bessere Signalerkennung.
  • Terminierung und Network-Bias bei der EL6861: Bei Einsatz dieser Klemme wurden die im Profibus-Standard genormten Werte für Terminierung (220 Ohm) und Network-Bias (620 Ohm) im optional erhältlichen Profibus-Anschluss-Stecker implementiert. Network-Bias und Terminierung sind bei Bedarf im Profibus-Anschluss-Stecker per DIP-Schalter zuschaltbar.
  • Für eine MS/TP-Verbindung zwischen Gebäuden ist eine Isolation von 1500V oder besser zu implementieren. Diese kann z.B. mit Hilfe von externen Segmentkopplern mit galvanischer Trennung realisiert werden.

Logischer Layer 2

Das MS/TP Protokoll wurde auf dem ISO/OSI Layer 2 exklusiv für BACnet spezifiziert. MS/TP beschreibt ein Multi-Master / Multi-Slave Netzwerk. Da bei dieser Art serieller Netzwerke zur Vermeidung von Kollisionen zu einem Zeitpunkt jeweils nur ein Teilnehmer senden darf, wird die Sendeberechtigung über das sogenannte Token von einem zum nächsten Teilnehmer weitergegeben. Nach dem Senden wird das Token weitergereicht. Um zu ermitteln, an welchen Teilnehmer ein Gerät das Token weitergegeben werden muss, führen alle Geräte zyklisch eine Abfrage mit dem Frametyp „PollForMaster“ durch. Eine positive Antwort „ReplyToPollForMaster“ identifiziert dann den Nachfolgeteilnehmer. Mit diesem Verfahren werden ebenfalls neue Teilnehmer in den logischen Verbund aufgenommen und nicht mehr existente Teilnehmer erkannt und bei der Tokenvergabe übersprungen.

Master sind aktive Teilnehmer im Netzwerk und dürfen nach Erhalt des Token andere Master- oder Slaveknoten ansprechen (z.B. um Istwerte per Lesezugriff zu ermitteln oder Sollwerte per Schreibzugriff an ein Gerät zu senden).

Slaves sind grundsätzlich passiv, erhalten keinen Zugriff auf das Netzwerk, sondern dürfen ausschließlich auf Anfragen von Masterknoten antworten.

Eine dynamische Ermittlung von Slaveknoten mittels einer BACnet-Broadcastnachricht „Who-Is“ ist daher nicht möglich. Die meisten im Markt angebotenen MS/TP Geräte sind jedoch Masterimplementierungen oder solche, bei denen sich die Betriebsart umschalten lässt. Geräte, die ausschließlich Slave-Funktionalität implementieren, sind eher selten.

Einstellungen der Schnittstelle

MS/TP verwendet das NRZ (non-return-to-zero) Verfahren, die Einstellungen der seriellen Schnittstelle sind wie folgt festgelegt:

  • 1 Startbit
  • 8 Datenbits
  • 1 Stopbit
  • Keine Parität
  • Abgekürzt: 8,N,1

Im Normalfall sind diese fest in MS/TP Geräten vorgegeben und müssen nicht separat eingestellt werden. Bei Geräten, welche wahlweise auch auf andere Kommunikationsprotokolle umgeschaltet werden können (z.B. Frequenzumformer, Pumpen oder Ventilantriebe) kann es im Einzelfall erforderlich sein, diese Parameter einzustellen.

Alle Teilnehmer innerhalb eines seriellen Netzwerks müssen auf dieselbe Übertragungsgeschwindigkeit eingestellt werden. Hierzu wird - wie bei serieller Übertragung üblich -die Einheit Baud verwendet (Baud beschreibt dabei die Anzahl übertragener Zeichen pro Sekunde).

Folgende Baudraten sind im BACnet-Standard spezifiziert:

  • 9600 Baud*
  • 19200 Baud
  • 38400 Baud*
  • 57600 Baud
  • 76800 Baud
  • 115200 Baud

Die mit * markierten Baudraten sind zwingend vorgeschrieben und müssen von allen MS/TP Geräten unterstützt werden. Die Klemme EL6861 unterstützt alle vorgenannten Baudraten.

Einstellung der Teilnehmeradressen

Jeder Teilnehmer eines MS/TP Netzwerkes (Master oder Slave) muss mit einer eindeutigen Adresse (MAC-Adresse = Medium Access Control) konfiguriert werden. Diese ist bei MS/TP 1 Oktett lang und wird meist mit Hilfe einer Softwareeinstellung oder mit Hilfe von DIP-Schaltern eingestellt. Jede Adresse muss eindeutig sein und darf innerhalb eines MS/TP Netzwerkes nur einmal verwendet werden.

Dabei steht für die Adressierung von Masterknoten der Bereich von Adresse 0 – 127 und für Slaveknoten der Bereich von 0-254 zur Verfügung.

Die Adresse 255 ist für Broadcastnachrichten (also Telegramme an alle Teilnehmer des Netzwerks) reserviert und darf nicht als Absendeadresse verwendet werden. Die max. Datenlänge in MS/TP-Netzwerken beträgt: 501 Oktette (21 Oktett Network-Layer-Header plus 480 Oktett Nutzdaten in der Anwendungsschicht).

Besonderheiten in der Kommunikation mit MS/TP Geräten

Die Vorteile von MS/TP liegen in der Nutzung einfacher Kabel bei hohen Leitungslängen. Demgegenüber steht eine geringere Datenübertragungsrate verglichen mit Ethernet-basierten Netzwerken als auch meistens limitierte BACnet-Implementierungen. Am häufigsten sind Geräte mit dem Applikationsprofil B-ASC (BACnet Application Specific Controller) zu finden, bei denen allerdings Funktionen wie COV (Change of Value = eigenständige Benachrichtigung bei Wertänderungen) als auch ReadPropertyMultiple fehlen. Daher kann es in der Kommunikation mit MS/TP Geräten zu längeren Reaktionszeiten insbesondere bei großen Datenmengen kommen.

Es wird daher empfohlen, nur diejenigen Objekte und Eigenschaften (BACnet Properties) abzufragen, die auch tatsächlich zur Verarbeitung benötigt werden. Statische Properties sollten nur einmal zu Beginn der Kommunikation abgefragt werden sowie auf Anforderung, wenn bekannt ist, dass sich diese geändert haben.

Ebenfalls ist bei der zyklischen Abfrage von Teilnehmern (Polling) zu beachten, die Geräte nicht mit zu schnellen Abfrageintervallen zu überlasten.

Routing zwischen MS/TP und BACnet/IP

Ein Gerät kann optional als Router zwischen einem MS/TP und einem BACnet/IP Netzwerk eingesetzt werden. In Verbindung mit dem Supplement TS8020 (BACnet/IP) kann die Klemme EL6861 optional als Router oder bei Einsatz mehrerer Klemmen als Multi-Channel-Router eingesetzt werden.

Optimierung der Kommunikation

Zuteilung von Buszugriffen

MS/TP Geräten mit einem erhöhten Bedarf an Buszugriff (i.d.R. Router, welche verschiedene Layer miteinander verbinden), kann eine größere Zahl an Zugriffen zugeteilt werden. Mit der Einstellung „Max_Info_Frames“ im Device-Objekt des Gerätes wird die Anzahl von Telegrammen festgelegt, welcher dieser Teilnehmer senden darf, bevor das Token weitergegeben werden muss. Der Standardwert für die Klemme EL6861 liegt bei 30, da im Standardfall durch die SPS mehr Telegramme mit anderen MS/TP Teilnehmern ausgetauscht werden müssen, als diese Geräte untereinander austauschen. Als Standardwert für alle anderen Teilnehmer im Netzwerk ist daher der Wert 1 zu empfehlen.

Festlegen der höchsten Stationsadresse

Die zur Ermittlung von Nachfolgeknoten zyklisch zu sendenden „PollForMaster“ Telegramme können zu einem erheblichen Nachrichtenaufkommen im Netzwerk führen, wenn die Stationsadressen nicht optimal konfiguriert sind. Jede Adresse höher als die eigene Stationsadresse muss abgefragt werden, was bei Lücken in der Adressierung zu unnötigen Abfragen führt. Im optimalen Fall beginnt die erste Stationsadresse (MAC-Adresse des Knotens) mit dem Wert 0 (Standardwert für die Klemme EL6861). Weitere Geräte werden dann aufsteigend mit 1, 2,3 usw. konfiguriert. Die höchste im Netzwerk verwendete Stationsadresse kann zur Optimierung dann in die Eigenschaft „MAX_MASTER“ im Device-Objekt aller Geräte eingetragen werden.

Tipp: Falls die angeschlossenen Geräte keine Änderung dieser Eigenschaft zulassen (in diesem Fall ist MAX_MASTER in der Norm mit dem Wert 127 vorgeschrieben), kann dennoch eine Optimierung vorgenommen werden. In diesem Fall können zunächst alle anzuschließenden Geräte beginnend von 0 aufsteigend konfiguriert werden. Als letzter Teilnehmer mit der höchsten Stationsadresse kann dann die Klemme EL6861 konfiguriert und in den Einstellungen diese Adresse als MAX_MASTER in der EL6861-Konfiguration eingetragen werden.