AX5000 EMV-Handbuch - Version 1.1

Potenzialausgleich

Ein Potenzialausgleich dient zum „Herstellen elektrischer Verbindungen zwischen leitfähigen Teilen, um Potenzialgleichheit zu erzielen“. Weiterhin sorgt er mittels einer leitenden Verbindung dafür, dass sich Ladungsunterschiede zweier Körper oder Betriebsmittel ausgleichen. An der Haupterdungsschiene (PE-Schiene) laufen alle Schutzleiter und Potenzialausgleichsleiter zusammen und werden über den Erdungsleiter mit der Fundament-Erdung (Stahl-Armierung in Betondecken) verbunden.

Der Potenzialausgleich dient auch dem Schutz vor gefährlichen elektrostatischen Entladungen (ESD). Hierzu werden Personen und Betriebsmittel durch spezielle Einrichtungen mit der Fundament-Erdung verbunden. Dadurch lassen sich Potenzialunterschiede ungefährlich abbauen.

Dieser Potenzialausgleich kann in der elektrischen Installation einer Maschine zwei unterschiedliche Aufgaben erfüllen:

1. den Schutz-Potenzialausgleich

zum Personenschutz gegen elektrischen Schlag im Fehlerfall der Maschine oder Anlage, mit Hilfe eines Schutzleitersystems.

2. den Funktions-Potenzialausgleich

zum Vermeiden von Betriebsstörungen (als Folge von Schirmfehlern) und zum Verbessern der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) empfindlicher elektronischer Betriebsmittel.

Die folgende Grafik zeigt eine schematische Darstellung der Aufgaben eines Potenzialausgleichs:

Die Forderung für den Potentialausgleich ergibt sich weiterhin aus den „Anforderungen zum Schutz gegen elektrischen Schlag“ und ist international in der IEC 60364-4-41:2005 und für Deutschland in der DIN VDE 0100-410:2007-06 festgelegt.

Die Verbindung aller leitfähigen Körper (Gehäuse) elektrischer Betriebsmittel mit einem geerdeten Schutzleiter und mit der Haupterdungsschiene ist die Grundlage für den Schutz gegen elektrischen Schlag. Die in der VDE vorrangig angeführte Schutzmaßnahme der „automatischen Abschaltung der Stromversorgung im Fehlerfall“ wird durch normgerechte Ausführung mit anschließender Prüfung der Anlage sichergestellt. Durch die Prüfung wird auch die ausreichend kleine Schleifenimpedanz für die automatische Abschaltung im Fehlerfall nachgewiesen.

Die technische Ausführung für den Potentialausgleich, die Dimensionierung der Querschnitte und die genormten Begriffe ergeben sich aus der IEC 60364-5-54:2011 und für Deutschland aus der DIN VDE 0100-540:2012-06.

 
Hinweis
Trennung von Schutz- und Neutralleiter!
Bitte beachten Sie, dass das Netz einen getrennten Schutz- (PE) und Neutralleiter (N) aufweist und beide Leiter nicht zusammen auf einem Potenzial (Schutz- und Neutralleiter = PEN) aufliegen!
 

Netzsysteme

TN-C – System
 
In einem TN-C – System wird der Sternpunkt aller Leitungen (L1, L2, L3 und PEN) direkt geerdet. Der Neutralleiter (N) sowie der Schutzleiter werden (PE) sind in einem einzigen Leiter (PEN) zusammen geführt.
Bei einer dreiphasigen Stromversorgung werden wie in unserem Beispiel links vier Leitungen verwendet:
L1, L2, L3 und PEN.
Im nachfolgenden werden TN-S - Systeme beschrieben, welche von der Beckhoff Automation GmbH & Co. KG aus Sicht der Elektro Magnetischen Verträglichkeit (EMV) empfohlen werden.
TN-S – System
 
In einem TN-S – System wird ähnlich wie beim TN-C – System auch der Sternpunkt aller Leitungen (L1, L2, L3, N und PE) direkt geerdet. Der Neutralleiter (N) sowie der Schutzleiter (PE) werden jeweils in einem separaten Leiter zum Netz-Verbraucher geführt.
Bei einer dreiphasigen Stromversorgung werden wie in unserem Beispiel links fünf Leitungen verwendet:
L1, L2, L3, N und PE.
Der Übergang von einem TN-C zu einem TN-S – System wird mit einem blauen Leitungskabel signalisiert.
Wye-System (Solidly Grounded Wye)
 
In einem Wye – System wird der Sternpunkt aller Leitungen (L1, L2, L3, N und GND) in der Mitte geerdet und zusammen geführt. Bei diesem Netzsystem ist darauf zu achten, dass der PE-Schutzleiter (GND) keinen Strom tragen darf! Der Neutralleiter N (Grounded Conductor) ist dabei als getrennter Leiter anzulegen und erst innerhalb der Verbraucherablage abzugreifen. Diese Netzauslegung entspricht im deutschen Raum einem TN-C-S - System.
Diese Systeme kommen häufig als Standard im US Amerikanischen Raum zum Einsatz.
Bei einer dreiphasigen Stromversorgung werden wie in unserem Beispiel links fünf Leitungen verwendet:
L1, L2, L3, ggf. N und GND.
Delta-System (Corner Grounded Delta)
 
In einem Delta – System werden alle angeschlossenen Komponenten direkt geerdet. Dies geschieht unabhängig von der Erdung der Stromquelle. Der PE-Schutzleiter (GND) darf keinen Strom tragen! Der Neutralleiter N (Grounded Conductor) ist dabei als getrennter Leiter anzulegen und erst innerhalb der Verbraucherablage abzugreifen. Um die EMV-Anforderungen einzuhalten sind spezielle Maßnahmen wie bspw. der Einsatz von Netzfiltern zwingend notwendig!
Diese Systeme haben kein direktes Pendant nach IEC. Die Erdung erfolgt entweder über eine der Phasen (Corner Grounded) oder einen Mittelabgriff zwischen zwei Phasen (High-Leg).
Bei einer dreiphasigen Stromversorgung werden wie in unserem Beispiel links fünf Leitungen verwendet:
L1, L2, L3, ggf. N und GND.
Split-Phase-System
 
In einem Split-Phase-System wird die Erdung über einen Mittelabgriff zwischen den beiden Phasen vorgenommen. Von dort aus wird ein Neutralleiter mitgeführt.
Bei einer dreiphasigen Stromversorgung werden wie in unserem Beispiel links vier Leitungen verwendet:
L1, N, L2 und GND.
 

Potenzialdifferenzen:

Mehrere durch Raumtrennung vorhandene Montageplatten innerhalb eines Schaltschranks
Mehrere Schaltschränke, welche innerhalb der Applikation räumlich getrennt sind
Betrieb von mehreren dezentralen Servoverstärkern (AX5000 / AX8000)
Einspeisung der Schaltschrank-Komponenten von unterschiedlichen Versorgern

Bei allen Potenzialdifferenzen treten Ableitströme (Potenzialausgleichsströme) auf. Bitte beachten Sie hierzu das Kapitel: „Ableitströme“ im Systemhandbuch des Servoverstärkers AX5000.

Potenzialdifferenzen beeinflussen außerdem Steuer- und Feedbacksignale, verursachen Störungen an Kommunikationsgeräten und können elektronische Komponenten betriebsunfähig machen.

Zur Reduzierung von Potenzialdifferenzen müssen Sie:

einen Potenzialausgleich vornehmen. Hierbei sind für die Verbindung von nicht lackierten Montageplatten, sowie Schaltschränken untereinander Massebänder mit einer großen Oberfläche und großflächiger Kontaktaufnahme zu verwenden.
eine Einspeisung mit einem gemeinsamen Potenzial aufbauen.
großflächige Schirmauflagen vorsehen

Betrachtungsweisen nach elektrischer Sicherheit und EMV:

Betrachtet man Personenschutzmaßnahmen (PSM), so dient die PE-Schiene im Schaltschrank als Sternpunkt.
Aus Sichtweise der Elektro Magnetischen Verträglichkeit (EMV), empfiehlt die Beckhoff Automation GmbH & Co. KG, die nicht lackierte Montageplatte im Schaltschrank, als Sternpunkt für den Potenzialausgleich vorzusehen.
 
Leitungsquerschnitte bei Potenzialausgleichsleitungen!
Dimensionieren Sie die Potenzialausgleichsleitungen so kurz wie möglich. Achten Sie darauf, den Leiterquerschnitt rechteckig und flach auszuwählen. Der Querschnitt Ihrer Potenzialausgleichsleitung, sollte keinesfalls zu knapp bemessen sein.

Die nachfolgende Abbildung zeigt einen beispielhaften Potenzialausgleich mit verschiedenen Komponenten. Bitte beachten Sie, dass jeder Potenzialausgleich applikationsspezifisch ist und das folgende Beispiel nicht als Standard-Lösung in Betracht gezogen werden sollte!

 
 Potenzialausgleich 1:
 
Positionsnummer
Erläuterung
1
Schaltschranktür mit Masseband-Verbindung
2
Hutschiene zur Komponentenbefestigung
3
nicht lackierte Montageplatte im Schaltschrank
4
Masseband-Verbindung zwischen PE-Schiene und nicht lackierter Montageplatte
5
Großflächige Kabelkanal-Verbindung
6
Kabelkanal aus Blech
7
Potenzialausgleich zwischen Motor (OCT) und Kabelkanal (HF-tauglich) über angeflanschte Adapterplatte
8
Trennschiene im Kabelkanal für Signal- (grün) und Leistungsleitung (orange)
9
Potenzialausgleich zwischen Maschinengestell und Fundament-Erdung
10
Leitende Verbindung des metallischen Kabelkanals
11
Fundament-Erdung mit einer Stahl-Armierung in der Betondecke
12
Masseband-Verbindung zwischen Schaltschrank und Fundament-Erdung
13
PE-Schiene im Schaltschrank
 
 
Installation eines Potenzialausgleichs!
Bei der Installation eines Potenzialausgleichs sind zwingend folgende Punkte zu beachten:
Schutzleiterverbindung
1.)
Verbinden Sie die Schaltschranktüren (1) über ein Schutzleiterkabel (Querschnitt ≥ 10 mm² Cu) mit dem Schaltschrank.
2.) Verbinden Sie die Montageplatte des Schaltschranks (3) über ein Schutzleiterkabel (Querschnitt ≥ 10 mm² Cu) mit der PE-Schiene (13).
3.) Verbinden Sie den Schaltschrank über ein Schutzleiterkabel (Querschnitt ≥ 10 mm² Cu) mit der Fundament-Erdung (11). Weiterhin sind alle Kabelkanäle über ein Schutzleiterkabel (Querschnitt ≥ 10 mm² Cu) mit dem Schaltschrank zu verbinden.
Verbindung von Motoren und Getrieben
4.)
Verbinden Sie alle Motoren und Getriebe Ihrer Applikation über Massebänder mit den metallischen Kabelkanälen.
Verbindung von metallischen Kabelkanälen
5.)
Metallische Kabelkanäle sind grundsätzlich immer großflächig miteinander zu verbinden.
Achten Sie darauf, dass die Verbindungen der Schutzleiterkabel so kurz wie möglich gewählt werden! Weiterhin müssen alle Verbindungen metallisch rein sein! Schließen Sie die Schutzleiterverbindungen niemals auf lackierten Oberflächen an! Reinigen Sie die Verbindungsstellen vorher mit einem handelsüblichen Industriereiniger.
 
Weiterführende Informationen
Montage im Schaltschrank